Ein Bericht von Manuel Voßwinkel, Senior Sustainability Analyst bei der ÖKOWORLD.
Die weltweiten Frischwasserressourcen geraten durch Temperaturanstiege, Bevölkerungswachstum und Konsumgewohnheiten zunehmen unter Druck. Mittel- bis langfristig ist die Wasserversorgung in vielen Weltregionen durch ausbleibende Gletscherschmelzen bedroht, dann nämlich, wenn die Jahrtausende alten Eismassen Geschichte sind. Ein Blick nach Asien verdeutlicht die Herausforderungen heute. Die jüngsten Hitzewellen haben im Himalaya-Gebirge übermäßig starke Gletscherschmelzen ausgelöst. Die freigesetzten Wassermassen führten zu Überflutungen und zerstörten Infrastruktur wie Straßen und Brücken. Betroffen waren auch Wasserleitungen, was eine Unterbrechung der Wasserversorgung für die Bevölkerung zur Folge hatte.
Nur ein Beispiel das zeigt, dass es höchste Zeit ist, die weltweit drohende Wasserkrise in ihrer Vielfältigkeit als solche zu benennen und die immensen Herausforderungen auf politischer, wirtschaftlicher und nicht zuletzt auf individueller Ebene mutig anzugehen.
Ein neues Preisschild für Wasser?
Der Wert von Wasser, das Motto der World Water Week 2022 in Stockholm, bekommt vor dem Hintergrund von Überschwemmungen sowie bestehender und drohender Wasserknappheit dann auch eine ganz neue Bedeutung. Auf der Konferenz wurde einmal mehr deutlich, dass sich der „wahre“ Wert von Wasser nicht an den Wasser- und Abwassergebühren des örtlichen Versorgers bemisst, sondern zahlreiche zusätzliche Aspekte, wie etwa eine zu erwartende Wasserknappheit, die Wasserqualität, aber auch den kulturelle Wert von Wasserressourcen, umfasst. Dieser Umstand wird bis dato nicht berücksichtigt, man könnte auch sagen, er wird in die Zukunft externalisiert. Vergleichbar mit den „eigentlichen“ Kosten von Treibhausgasemissionen, die weiterhin nicht angemessen eingepreist werden.
Zugleich beschäftigen sich Unternehmen verstärkt mit ihrem Wasserfußabdruck, nicht zuletzt aus finanziellen Risikogesichtspunkten. Analog zum Konzept des CO2-Fußabdrucks, das es zu einiger Bekanntheit gebracht hat und dazu führte, dass die meisten Unternehmen inzwischen über Zielsetzungen zur Reduzierung ihrer CO2 Emissionen, z.B. Science-Based Targets, verfügen, gilt es auch für Wasser ambitionierte Ziele zu setzen. Diese müssen sich jedoch noch stärker an den Ressourcenverfügbarkeiten vor Ort orientieren und darauf abzielen, die lokalen Wasserressourcen zu schützen. Die Zielsetzungen sollten kontext-basiert sein, so genannte Contextual Water Targets, und über reine Output-orientierte Einsparungsmaßnahmen hinausgehen. Einige Unternehmen verfügen bereits über ein integratives Wassermanagement und setzen sich kontextualisierte Wasser-bezogene Ziele. Hier nähert man sich dem „wahren“ Wert von Wasser zumindest in der Theorie an.
Höherer Preis, mehr Investitionen
Der Investitionsbedarf in die (natürliche) Wasserinfrastruktur ist groß. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern der private Sektor – sowohl Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit als auch Investoren – bereit ist und die nötigen Kapazitäten aufbringt, um sich auf lokaler Ebene zu engagieren, etwa beim Schutz von Wald- und Feuchtgebieten oder der Renaturierung von Flussläufen. Denn ein integratives Wassermanagement ist eine Multi-Stakeholder Aufgabe und erfordert die Kooperation mit verschiedenen Anspruchsgruppen vor Ort.
Die z.T. schlechte Datenverfügbarkeit zu den hydrologischen Verhältnissen, insb. auch zu Grundwasserressourcen, sowie eine verlässliche Kostenrechnung für Investitionen in natürliche Wasserschutzprojekte, so genannte Nature-Based Solutions, sind derzeit eine der Barrieren für die Umsetzung konkreter Projekte, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Da könnte es für Unternehmen einfacher erscheinen, den eigenen Wasserfußabdruck über Zertifikate auszugleichen, ähnlich wie beim Carbon Offsetting, bei dem die errechneten CO2-Emissionen durch Klimaprojekte ausgeglichen werden. Darüber hinaus sollte auch nicht das Potenzial unterschätzt werden, das in einem kreislaufgeführten Wassermanagement liegt. Eine Unternehmensvertreterin meinte dazu, dass es für sie keine grundsätzliche Hürde sei, den Wasserverbrauch nicht auch drastisch zu reduzieren – abgesehen natürlich vom derzeitigen geringen Preis für Wasser.
Was bleibt?
Die World Water Week 2022 in Stockholm hat die vielfältigen Herausforderungen rund um das Thema Wasser einmal mehr deutlich gemacht. Als wichtiger nächster Schritt wird ein umfassendes Abkommen zum Schutz der weltweiten Wasserressourcen – vergleichbar mit dem Übereinkommen von Paris 2015 – gewertet, um den bestehenden freiwilligen Verpflichtungen, wie den SDGs, mehr Ausdruck zu verleihen. Es bleibt abzuwarten, ob die UN Wasserkonferenz 2023 in New York hier neue Impulse setzen kann. Die Erwartungen sind, angesichts der sich verschärfenden Situation, hoch.