Was macht ein Impfstoffhersteller im Klimafonds? Ein Beitrag von Dr. Silvio Schmidt, Senior Sustainability Analyst bei ÖKOWORLD

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Hin und wieder erhalten wir Nachfragen unserer Kunden, warum der Fonds ÖKOWORLD KLIMA auch in Medizintechnikunternehmen und Impfstoffhersteller investiert. Was haben diese mit Klimaschutz zu tun?

In vielen Klimafonds finden sich insbesondere Aktien und Anleihen von Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien, vor allem Windkraft- und Solaranlagenhersteller und –betreiber. Auch Unternehmen, welche Produkte und Dienstleistungen anbieten, mit denen Energie effizienter genutzt werden kann, wie Halbleiterhersteller oder Cloud-Anbieter, sind häufig in den Fonds vertreten. Dies ist wichtig, denn sowohl Erneuerbare Energien als auch energieeffiziente Produkte tragen zu weniger klimaschädlichen Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz bei.

Doch beim Klima geht es nicht nur um die Vermeidung des vom menschenverursachten Klimawandels, sondern auch um die Anpassung an dessen Folgen. Denn unser Klima ändert sich bereits, vor allem, weil wir in großem Umfang Kohle, Öl und Gas verbrannt haben. Aber auch über unsere immer intensivere Landwirtschaft oder die Abholzung der Regenwälder nehmen wir Einfluss.

So müssen wir uns anpassen, wenn zukünftig mehr Wetterextreme auftreten. Stärkere und vor allem häufigere Stürme, zunehmende Überschwemmungen und Starkregenereignisse bedingen Anpassungen in der Katastrophenvorsorge wie beispielsweise bauliche Maßnahmen. So geht ein großer Teil der Sturmschäden in den durch Hurrikane gefährdeten Staaten der USA auch auf die dort weit verbreitete Holzbauweise zurück.

Doch nicht nur bei den Gebäuden, auch in der Stadtplanung sind Änderungen notwendig. Bis Ende des Jahrhunderts erwarten Forscher bis zu dreißig zusätzliche Hitzewellen pro Jahr für Süddeutschland und immerhin fünf in Norddeutschland. Dagegen braucht es zum Beispiel in den Städten mehr Grünflächen und weniger Versiegelung. Frischluftschneisen sind ein wichtiges Instrument für die Regulierung des städtischen Klimas und dürfen nicht zugebaut werden. Auf dem Land bedarf es vor allem Anpassungen in der Landwirtschaft, beispielsweise durch trockenheitsresistentere Pflanzen, um eine ausreichende Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Auch dem Tourismus stehen Änderungen bevor. Viele Gemeinden in den Alpen, die vom Skitourismus leben, arbeiten bereits heute an Alternativen, wenn zunehmend der Schnee und damit die SkifahrerInnen ausbleiben.

Insbesondere im Bereich von Gesundheitsvorsorge und Medizin sind Vorkehrungen unumgänglich, wenn zukünftig südeuropäische Temperaturverhältnisse in Mitteleuropa erreicht werden und diese über längere Zeiträume anhalten. Damit einhergehender Hitzestress und hohe Ozonkonzentrationen sind Herausforderungen für den Körper, die bis zum Kreislaufversagen, Hitzeschlag oder Herzinfarkt führen können. Vielleicht halten wir zukünftig mittags öfters mal Siesta und passen unsere Verhaltensweisen den neuen klimatischen Umständen an.

Zudem bringt die Klimaveränderung in Kombination mit der fortschreitenden Reduzierung der Lebensräume von Wildtieren, insbesondere durch das Bevölkerungswachstum, mehr Zoonosen mit sich. Das sind Infektionskrankheiten, hervorgerufen durch Erreger, die vom Tier auf den Menschen oder umgekehrt übergehen. Auch das derzeit die Welt bewegende Sars-CoV-2-Virus scheint seinen Ursprung in Wildtieren zu haben.

Ein Beispiel: Die infolge der globalisierten Menschen- und Warenmobilität eingeschleppte Tigermücke findet mittlerweile auch in Deutschland einen Lebensraum. Erste Nachweise zeigen, dass die Mücken regional in Süddeutschland den Winter überleben. Die Tigermücke kann unter anderem das Dengue-Fieber übertragen, eine Krankheit der Tropen und Subtropen. Aktuell gibt es lediglich einen Impfstoff. Gerade angesichts der Klimaveränderungen blickt die Weltgesundheitsorganisation mit Sorge auf die Verbreitung nicht nur dieser Infektionskrankheit. Auch das Zika-Virus wird von den Tigermücken übertragen. Es zirkuliert ebenfalls eigentlich nur in den tropischen und tropennahen Regionen. Jedoch kam es schon 2019 in Südfrankreich zu ersten Übertragungen durch dort lebende Mücken. Einen Impfstoff gegen dieses Virus gibt es bislang nicht.

Und Impfstoffentwicklung benötigt im traditionellen Verfahren eine lange Zeit. Hilfe bietet erst seit kurzem die mRNA-Technologie. Sie gilt als eine disruptive Technologie in der Medizin und ist vor allem durch die Impfstoffe der Unternehmen Moderna oder BioNTech auch in der Öffentlichkeit bekannter geworden. Die mRNA-Technologie ist gegenüber der traditionellen Impfstoffentwicklung sehr flexibel und ermöglicht es Impfstoffe und Medikamente vergleichsweise sehr schnell zu entwickeln und zudem kostengünstiger zu produzieren. Dies lässt hoffen, dass absehbar auch ein Impfstoff gegen das Zika-Virus zur Verfügung steht. Moderna arbeitet daran bereits und findet sich unter anderem deshalb im Universum unseres Klimafonds.

Den Klimawandel werden wir nicht aufhalten können. Trotzdem müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um im wahrsten Sinne des Wortes nicht noch weiter „Öl ins Feuer zu gießen“ und ihn weiter anzuheizen. Die Folgen wären dramatisch und könnten unbeherrschbar sein. Gleichzeitig müssen wir uns darauf einstellen, mit den Folgen des bereits stattfindenden Klimawandels umzugehen und uns anzupassen. Unternehmen, welche diese Anpassung erleichtern oder erst ermöglichen, sind somit sehr sinnvoll und haben ihre Berechtigung in einem Klimafonds, welcher den Klimawandel ganzheitlich im Blick hat.

Zum Autoren:

Dr. Silvio Schmidt, Senior Sustainability Analyst

Silvio Schmidt ist gelernter Versicherungskaufmann, hat Internationale Volkswirtschaftslehre und Sinologie studiert und in Umweltökonomie zu ökonomischen Kosten des Klimawandels promoviert. Silvio hat Arbeitserfahrung in der Erst- und Rückversicherung sowie dem Lebensmittelhandel. Über neun Jahre war er für Munich Re, zunächst in der Kredit- und Kautionsversicherung, später im Nachhaltigkeitsmanagement tätig. Als Group Environmental Manager betreute er das konzernweite Umweltmanagementsystem und entwickelte die Klimaneutralitätsstrategie mit. Für den Lebensmittelgroßhändler METRO koordinierte er die Beantwortung von ESG-Ratings, entwickelte die strategische Ausrichtung zu Klimaschutz und Wasser und war für die Umweltbilanzierung und –berichterstattung zuständig. Silvio ist seit März 2019 im Research Team bei ÖKOWORLD.