Alle Menschen müssen gleichermaßen Zugang zu Trinkwasser erhalten und auch behalten BERICHT 2019 DES FACHBEIRATES ÖKOWORLD WATER FOR LIFE

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Eine der größten Herausforderungen für Nachhaltige Entwicklung stellt die zunehmende Wasserverknappung dar, die sich durch Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel ergibt. Diese Entwicklungen sind eng miteinander verknüpft. Das Schwerpunktthema der World Water Week in Stockholm (25.8. – 30.8.2019) „Water for society: Including all hat dies einmal mehr unterstrichen. Dabei ging es um die sozialen Auswirkungen der Wasserverknappung und darum, wie diese Auswirkungen vermieden werden können.

Wasserverknappung hat zum einen mit dem quantitativen Management und der gerechten Verteilung der verfügbaren Wasserressourcen zu tun, gerade auch angesichts der in vielen Regionen immer größeren Unberechenbarkeit von Niederschlagshäufigkeit und -intensität als Folge des Klimawandels. Alle Menschen müssen gleichermaßen Zugang zu Trinkwasser erhalten und auch behalten. Das ist eine der Anforderungen der 2015 in Kraft getretenen Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.

Zum anderen – hier ergeben sich zunehmend größere Probleme – geht es um die Aufrechterhaltung bzw. um die Verbesserung der Qualität der knapper werdenden Ressourcen.

Erhaltung und Aufrechterhaltung der Qualität der Grundwasserressourcen sind von herausragender Bedeutung

Den weit überwiegenden Teil der zugänglichen Süßwasserressourcen machen Grundwasservorkommen aus (ca. 30 % des Süßwassers; 69 % ist unzugängliches Gletscher- und Permafrostwasser). In Deutschland werden rd. 60 % des genutzten Wassers aus Grundwasser gewonnen. Die Erhaltung und die Aufrechterhaltung der Qualität der Grundwasserressourcen sind neben deren nachhaltiger Nutzung (nur erneuerbare Vorkommen dürfen genutzt werden) von herausragender Bedeutung. Qualitätsbetrachtungen sind aber auch für Oberflächenwasser erforderlich, aus dem in Deutschland rd. 30 % des Trinkwassers gewonnen werden.

Wachsende Wasserverantwortung
Ein wesentlicher Aspekt, der auch bei der World Water Week eine wichtige Rolle spielte, ist die größer gewordene Wasserverantwortung aller, die intensiv Wasserressourcen nutzen. Dazu zählen vor allem auch Unternehmen (Industrie, Kraftwerke, Gewerbe, Landwirtschaft). Es ist erforderlich, dass alle Unternehmen die Verantwortung für Wasserressourcen und deren Management über die Unternehmensstandorte hinaus auf die Wassereinzugsgebiete ausdehnen, die durch ihre Tätigkeit betroffen sind. Auch dies gilt nicht nur für die Entnahmemengen (Quantität), sondern auch im Hinblick auf die Qualität der Wasserressourcen. Dabei geht es um die Vermeidung der Belastung von Oberflächengewässern und Böden durch Schadstoffe, damit diese nicht ins Grundwasser bzw. Trinkwasser gelangen.

Belastung des Grundwassers durch zu hohen Fleischkonsum

Ein nach wie vor nicht gelöstes Problem für die Trinkwasserversorgung stellt die Belastung des Grundwassers durch Nitrat in Regionen mit intensiver Massentierhaltung dar. Nicht gelöst ist das Problem deshalb, weil die Hauptursache, der zu hohe Fleischkonsum, nicht angegangen wird.

Die Trinkwasserverordnung in Deutschland schreibt einen Nitrat-Grenzwert von 50 mg/Liter vor. Dieser wird an zahlreichen Grundwasser-Messstellen überschritten, z.T. bereits seit mehr als 25 Jahren. Deutschland wurde daher 2018 vom Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie verurteilt.

Gefahr: Nitrat kann im menschlichen Organismus in Nitrit umgewandelt werden

Nitrat kann im menschlichen Organismus in Nitrit umgewandelt werden, was besonders für Säuglinge eine große Vergiftungsgefahr darstellt. Zudem können aus Nitrit organische Verbindungen entstehen (Nitrosamine), die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein.

Nitrat gelangt über verschiedene Wege ins Grundwasser. Haupteintragspfad ist übermäßige Düngung, meist mit Gülle aus der Massentierhaltung, z.T. aber auch durch Düngung mit Mineraldünger z.B. beim intensiven Maisanbau. Pflanzen können nicht den gesamten Stickstoff aufnehmen, der in die Böden eingebracht wird. Die Nitratwerte, die wir heute im Grundwasser sehen, sind die Auswirkungen der Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte. Es dauert teilweise viele Jahre, bis das Sickerwasser aus überdüngten Böden ins Grundwasser gelangt.

Für Wasserversorger stellt der übermäßige Nitrateintrag ein großes Problem dar. Denn für jedes Kilogramm Stickstoff, das aus dem Wasser entfernt werden muss, fallen laut einer Studie Kosten von 5 bis 15 Euro an. Ausgehend von dieser Zahl schätzen Experten die Kosten durch übermäßige Nährstoffausbringung künftig in Deutschland auf acht bis 25 Milliarden Euro pro Jahr. Zudem ist davon auszugehen, dass sich das natürliche Nitratabbauvermögen von Grundwasserleitern zunehmend verringert und das Problem dadurch immer größer wird.

Belastung von Oberflächengewässern und Grundwassers

Ein weiteres Problem für die Trinkwasserversorgung stellt in zunehmendem Maße die Belastung von Oberflächengewässern und z.T. auch des Grundwassers mit z.B. Arzneistoffen, Industriechemikalien und Pflanzenschutzmitteln dar. Zwar lassen sich diese Spurenstoffe – es handelt sich um Gemische zahlreicher verschiedener Substanzen – mit technischen Verfahren (oxidative Verfahren, Aktivkohle, Membranfiltration) aus dem Rohwasser, das für die Trinkwasseraufbereitung verwendet wird, entfernen. Jedoch müssten auch bei solchen Stoffen vorrangig die Ursachen angegangen werden: Risikostoffe müssten rechtzeitig als solche erkannt und ihr Einsatz im Zweifel vermieden werden (Vorsorgeprinzip); Emissionen müssten stärker begrenzt werden oder besser ganz unterbleiben, zumal die genannten technischen Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung weltweit überhaupt nur in wenigen Ländern verfügbar sind.

Der Fachbeirat

Bei der Beobachtung und Bewertung der weiteren Entwicklung im Wasser- bzw. Klimasektor und bei der Einschätzung von Produkten und Technologien wird ÖKOWORLD für die Fonds ÖKOWORLD WATER FOR LIFE und ÖKOWORLD KLIMA durch einen dreiköpfigen wissenschaftlichen Fachbeirat unterstützt.

Prof. Dr. Gerald Haug
Prof. Dr. Gerald Haug
Dr.-Ing. David Montag
Dr.-Ing. David Montag
Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke
Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke