Die Weltklimakonferenz 2015 in Paris war als Erfolg zu werten. Die Staatengemeinschaft verständigte sich auf ein gemeinsames Klimaabkommen und auf das Ziel, die Erderwärmung gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung unter 2°C zu halten, besser sogar unter 1,5°C.
Seither gab es jedoch nur sehr geringe Fortschritte. Auch die letzte Klimakonferenz in Madrid im Dezember 2019 blieb weit hinter den Anforderungen zurück. Festgelegt werden sollte insb. der Regelungsrahmen für länderübergreifende Klimaschutzprojekte, z.B. wenn ein Industrieland ein Projekt in einem Entwicklungsland finanziert. Im Hinblick auf die „CO2-Bilanzierung“ – wem wird die CO2-Minderung in welcher Höhe angerechnet – konnte keine Einigung erzielt werden.
Wir sind aktuell vom Erreichen des 2°C Ziels sehr weit entfernt
Dabei sind wir aktuell vom Erreichen des 2°C Ziels sehr weit entfernt. Unter Klimawissenschaftlern gilt als Konsens, dass ohne deutlich größere Anstrengungen eine Erderwärmung um 3-4°C bis zum Ende des Jahrhunderts oder schon früher zu erwarten ist.
Dazu einige Zahlen:
- Die Erde hat sich bereits um mehr als 1°C erwärmt.
- Die letzten Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
- Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat bereits mehr als 410 ppm (Parts per Million) erreicht, lt. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mit steigender Zuwachsrate in den letzten Jahren (Meldung im März 2019). Die Konzentration liegt schon heute deutlich über dem von Experten als „sicher“ angenommenen Wert von 350 ppm.
Damit das Ziel, die Erderwärmung unter 2°C zu halten, erreicht werden kann, ist es erforderlich, spätestens bis 2080 die Treibhausgas-Emissionen um 80-100 % zu verringern. Um die Erderwärmung unter 1,5°C zu halten, muss zusätzlich spätestens ab 2070 CO2 wieder aus der Atmosphäre zurückgeholt werden.
Die wesentlichen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen:
- Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger (Dekarbonisierung des Energiesektors),
- deutlicher Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien,
- Sektorkopplung: Elektrifizierung auch bei Gebäudeheizung und, soweit möglich, im Verkehr,
- Wasserstoffwirtschaft,
- wirtschaftliche Nutzung von CO2.
Die Nutzung von CO2 ist notwendig (Alternative wäre die direkte Speicherung), wo die Entstehung von CO2 nicht vermieden werden kann, wie dies bei der Stahl- und Zementproduktion überwiegend der Fall ist.
Zudem stellt CO2 für die Chemische Industrie bei Wegfall der Nutzung von Erdöl und Erdgas künftig die einzige Kohlenstoffquelle dar. Da Biomasse (indirekte Nutzung) bei vorsichtiger Betrachtung nur in sehr geringem Umfang verfügbar sein wird, spielt die direkte Nutzung von CO2 als Rohstoff eine immer wichtigere Rolle, nicht zuletzt auch für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe, z.B. für den Flugverkehr.
Die wirtschaftliche Nutzung von CO2 als Ersatz für Erdöl und Erdgas, gleich für welche Zwecke, ist nur in Verbindung mit Wasserstoff möglich
Wasserstoff wird heute fast ausschließlich aus Erdgas gewonnen. Hierbei entstehen CO2-Emissionen. Um dies zu vermeiden, muss Wasserstoff künftig mittels Strom aus Erneuerbaren Energien aus Wasser gewonnen werden (Grüner Wasserstoff).
Die Gewinnung aus Meerwasser, um die knapper werdenden Süßwasserressourcen zu schonen, ist in der Erforschung. Nicht zuletzt muss auch die Elektrolysetechnik in Verbindung mit der Zwischenspeicherung von Wasserstoff weiterentwickelt werden, um den Wirkungsgrad zu verbessern, und damit das schwankende Stromangebot aus Erneuerbaren Energien optimal genutzt werden kann (Netzintegration der Elektrolyseanlagen einschließlich Bereitstellung von Regelenergie).
Ziel von Carbon2Chem, ein gemeinsames Projekt von Forschung und Industrie, ist es, bis 2030 die Nutzung von Hüttengasen aus der Stahlproduktion (hoher Anteil CO2 und CO) in Verbindung mit elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff großtechnisch zu realisieren (Herstellung von Plattformchemikalien). Für die weltweite Anwendung des Konzepts – auch für CO2 aus der Zementproduktion oder aus der Müllverbrennung – besteht sehr hoher Bedarf. Bei diesen Prozessen ist die Entstehung von CO2 auf längere Sicht nicht vermeidbar (zum Verringerungspotenzial bei Beton s.u.).
Strom aus Erneuerbaren Energien für die Wasserstofferzeugung
Voraussetzung ist allerdings, dass in ausreichendem Umfang Strom aus Erneuerbaren Energien für die Wasserstofferzeugung zur Verfügung steht. In Deutschland ist dies nicht der Fall. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn das Erzeugungspotenzial vollständig ausgeschöpft würde. Erforderlich ist daher der Import von Strom aus Erneuerbaren Energien bzw. von Grünem Wasserstoff.
Für die Stahlproduktion wird von einigen Herstellern ein Verfahren erprobt und weiterentwickelt, bei dem sich die Entstehung von CO2 deutlich verringert. Hierbei wird Eisenerz mittels Wasserstoff direkt reduziert (betr. Wasserstoff s.o.). Allerdings wird die Umstellung der Stahlproduktion, wenn das Verfahren sich bewährt, nach Aussagen der Industrie 20-30 Jahre dauern. Auch wird sich die Stahlproduktion durch das neue Verfahren voraussichtlich um bis zu 30 % verteuern. Es ist daher nicht absehbar, ob dieses Verfahren das Kohlenstoff-basierte Verfahren vollständig ablösen kann/wird.
Veraltete Bauvorschriften schreiben z.T. einen Zementanteil vor, der für die Betonstabilität heute nicht mehr erforderlich ist
Die Verringerung von CO2-Emissionen kann auch von Verhaltensänderungen bei der Weiterverarbeitung/Nutzung eines Produkts abhängig sein. In diesen Fällen ist zunächst keine technische Verfahrensänderung erforderlich. Dies zeigt das Beispiel Zement (Beton). Aus aktuellen Studien geht hervor, dass Zement (Beton), da es sich um einen sehr günstigen Baustoff handelt, zu überdimensioniert eingesetzt wird. Darüber hinaus schreiben veraltete Bauvorschriften z.T. einen Zementanteil vor, der für die Betonstabilität heute nicht mehr erforderlich ist. Hier ist, nicht zuletzt beim Gesetzgeber, Umdenken erforderlich.
Der Fachbeirat
Bei der Beobachtung und Bewertung der weiteren Entwicklung im Wasser- bzw. Klimasektor und bei der Einschätzung von Produkten und Technologien wird ÖKOWORLD für die Fonds ÖKOWORLD WATER FOR LIFE und ÖKOWORLD KLIMA durch einen dreiköpfigen wissenschaftlichen Fachbeirat unterstützt.